September/Oktober 2022 – ‚dr Summer ische ume, dr Herbscht isch scho do‘

OP-Dippel-Posten APV – Standort Rünenberg

16./17.September 2022

Am eher kühlen Wochenende vom 17./18.9. haben 25 Läufer:innen (samt Begleiter:innen) und 5 Plauschläufer:innen den diesjährigen OP Dippel absolviert. Von Gelterkinden ging es nach Rünenberg und wieder zurück nach Gelterkinden. Unter dem Motto «Brettspiele» gab es wie immer spannende Postaufgaben zu lösen. Dank unserem Rünenberger Local Grille, durfte der APV dieses Jahr in den Genuss einer wärmenden Hütte kommen. Die Waldhütte diente nicht nur dem Aufwärmen, sondern war Schauplatz unseres Brettspiels «Cluedo» sowie Detektivbüro für die Läufer:innen, die mit viel Scharfsinn die Täter überführten. Wie jedes Jahr hat die tatkräftige APV-Postenmannschaft keinen Aufwand gescheut und einen unvergesslichen Posten erschaffen. Kulinarisch hat es uns wieder einmal an nichts gefehlt, wir schwelgten in MOVA- und anderen Pfadierinnerungen und sogar die jüngste Generetion hat erste APV-Luft geschnuppert. Wir sind froh, dass es keine grösseren Zwischenfälle gab und auch die verlorenen Läuferinnen wieder in Gelterkinden angekommen sind. Vielen Dank dem OP-OK und der APV-Postencrew für das Engangement.                                                  -Twix

 


Geschichten die das Pfadi-Leben schrieb

DER NORMEN-BRECHER

Es war im Lager Lavin, an einem Wochenende, an dem wir freien Ausgang hatten, als ich «durchgebrannt» bin. Man durfte das Lager verlassen, musste jedoch mündlich hinterlegen, wohin man ging. Irgendwann am späten Nachmittag musste man sich zurückmelden. Ich war etwa 12 Jahre jung. Der Lagerchef verbrachte mit seiner Frau im Dorf seine Ferien und verbrachte selten einen Tag im Lager.

Ich wusste, dass ein Kollege sich mit dem Onkel verabredet hatte, der Lokführer bei der Rhätischen Bahn war. Ich hatte eine Grosstante, die bei Laax lebte und fand, dass ich sie ebenfalls besuchen konnte. Mein Begehren wurde jedoch abgelehnt. Das sei zu weit, zu gefährlich und, und, und. Argumente, die ich nicht akzeptieren wollte. Und wenn Donald sich was in den Kopf gesetzt hatte, dann war kein Argument stark genug, ihn von seinem Vorhaben abzuhalten.

Trotzig verliess ich das Lager, ohne mich abzumelden. In Lavin wanderte ich der Strasse entlang aus dem Dorf. Dann blieb ich, als Pfadi erkenntlich, stehen und hob den bekannten Daumen. Wie ich mich erinnern kann, dauerte es eine kurze Zeit, bis ein Fahrzeug anhielt.  Die Insassen waren ein junges Paar. Sie fragten mich, wohin ich wolle. Nach Laax war meine Antwort. Das Glück war mir hold. Die beiden wollten nach Chur. So konnte ich einsteigen. Unterwegs machten wir irgendwo einen Zwischenstopp, um etwas zu trinken. Danach gings weiter.

In Laax (damals noch nicht der heutige Touristenort) verliess ich das nette Paar und wanderte den Rest zu Fuss. Das dauerte etwa 30 Minuten. Zuerst führte der Weg rechts von der Strasse weg nach unten über einen kleinen Bach (der später in den Rhein mündet) und an einer ehemaligen Mühle vorbei. Ab hier marschierte ich im Wald. Als der Weg den Forst verliess, befand sich das Chalet meiner Grosstante vor mir. Etwas unterhalb von ihr stand ein Ferienhaus mit riesigem Umschwung, das einem Zürcher Industriellen gehörte. Spazierte man den Weg weiter, befand sich linkerhand ein weiteres, etwas baufälliges Holzhaus. Hier hausten zwei urchige Brüder (Tagelöhner). Nach einer Wegbiegung gelangte man zu einem weiteren, modernen Haus, das dem ehemaligen Flugzeugbauer «Messerschidt» gehörte. Immer wenn er sich dort aufhielt, besuchte er meine Tante. Sie kümmerte sich in der Abwesenheit der Familie Messerschmidt um das Anwesen. Mein Grossonkel war Künstler und oft auf Reisen. Deshalb betrieb seine Frau eine kleine Gastwirtschaft. Der Name war «Straussennest», aufgrund des Familiennamens «Strauss». (Heute ist es ein In-Lokal mit dem gleichen Namen. Zudem ist die gesamte Gegend mit Ferienhäusern verbaut.) Ihre Spezialität war ein «zünftiges Zvieriplättli» mit Salzis, Bündner Fleisch, Holzofenbrot aus dem Dorf und einem 2dl Veltliner Rotwein. Zudem bereitete sie jeden zweiten Abend eine wunderbare Torte zu. War ich ferienhalber anwesend, erhielt ich immer von Herrn Messerschmidt für meinen Service ein (für damalige Zeiten) sehr üppiges Trinkgeld.

Nun zurück zu meiner Geschichte. Meine Grosstante freute sich über meinen Besuch und wollte wissen, woher ich kam und wann ich wieder gehe. Ich bastelte eine Geschichte in der Hoffnung, dass ich bleiben durfte. Sie wollte noch wissen, ob denn meine Eltern von meinem Ausflug Kenntnis hätten. Ich glaube sie hatte mich längst durchschaut. Aber sie drückte ein Auge zu und gestattete mir, bei ihr zu übernachten. Irgendwie hatte ich schon ein schlechtes Gewissen, aber ich genoss den Abend und Spaziergang mit den zwei Hunden, den sicher über 10 anwesenden Katzen und dem einen Taglöhner, mit grossem Schnauz, der den Feierabend mit einem Calanda-Bier und einem Bündnerplättli (gespendet für Arbeiten im Garten oder am Haus) beendete, bevor er sich verabschiedete. Für mich war er – mit seinem «nuscheligen Bündnerdialekt» –  der urgemütliche Waldmensch, der niemandem etwas zu Leide tun konnte. Nachdem ich im Gästebett im Wohnzimmer eingeschlafen war, orientierte meine Grosstante meine überraschten und gleichzeitig erlösten Eltern über meine Anwesenheit. Da ich im Lager als vermisst galt, waren meine Eltern informiert worden. Sie orientierten am folgenden Morgen die Lagerleitung über meinen Aufenthaltsort. Nach dem Frühstück informierte mich meine Gastgeberin, dass alle über meinen Ausflug Kenntnis hatten. Deshalb würde ich von meinen Eltern abgeholt und nach Lavin zurückgebracht.

Meine Eltern standen am späten Vormittag vor dem Straussennest. Es gab keine Schelte oder Moralpredigt. Trotzdem war mir unwohl. Wir fuhren nach Lavin. Am Bahnhof wurde ich von einem der Hilfsleiter in Empfang genommen. Meine Eltern verabschiedeten sich mit mahnenden Worten. Ich meine, wortlos dem älteren Pfadi hinterher getrottet zu sein. Im Lager steuerten wir direkt auf das «Chefzelt» zu. Der ältere Lagerleiter (ich nenne bewusst keine Namen) sass auf einem Campingstuhl im Kreis seiner Lagercrew. In einiger Entfernung standen auch anwesende Pfadikollegen. Die Begrüssung war eher militärisch (Heute kommt er mir vor wie Cäsar bei Asterix und Obelix). Ich musste mich anmelden und danach stehend eine Strafpredigt über mich ergehen lassen, die herablassend und für einen Mann in seiner Funktion in keiner Weise würdig war. Ich glaube, ich durfte mich nicht mal äussern. Schlussendlich wurde dann über meine «Strafe» beraten, die lautete, ich musste das Lager am folgenden Tag verlassen und in Begleitung des «Adjutanten» mit dem Zug nach Hause fahren.

Nach dem Frühstück packte ich. Mein Koffer beförderte der Aufseher zum Bahnhof von Lavin. Irgendwann im Verlaufe des späteren Nachmittags, nach einer sehr wortkargen Reise, übergab der Begleiter mich an die Eltern. Ob er noch am gleichen oder erst am folgenden Tag zurückfuhr, weiss ich nicht mehr. Aber er war sichtlich froh, diesen Ungehorsamen los geworden zu sein. Was er, wie auch ich nicht wussten war, dass wir uns einige Tage später wieder im Lager trafen.

Ich glaube nach 2 Tagen meldete sich ein älterer, väterlicher Pfadileiter bei meinen Eltern für einen Gesprächstermin. Dieser erfolgte noch gleichentags. Dabei erfuhr ich, dass er ab folgendem Wochenende den Rest des Lagers als Chef betreut und mich gerne mitnehmen würde. Nach anfänglichem Widerstand meinerseits, liess ich mich doch überreden. Sicher spielte da eine gewisse Schadenfreude mit.

So begleiteten mich meine Eltern zum Bahnhof und übergaben mich mit einem Augenzwinkern in die Obhut des neuen Lagerchefs. Kurzweilig war die Fahrt und die allgemeine Überraschung gross, als ich erneut meinen Platz im Gruppenzelt einnahm. Der Rest des Lagers war toll und am Ende kam ich zufrieden wieder zu Hause an. Für mich blieb dieses eine Erlebnis stetig in Erinnerung. Meine Abneigung und Verachtung gegenüber dem «Richter» blieb, auch als APV-ler.

Und die Moral von der Geschichte: Zeige gegenüber dem Schwächeren Grösse, indem Du ihn an die Hand nimmst und leitest und nicht verurteilst. Er wird dir immer dankbar sein dafür.

Donald